Hochsensitivität im beruflichen Kontext: Ein Beispiel mit Lehrkräften

(Quelle: pixabay, geralt)

Die Doktorarbeit von Dr. Teresa Tillmann beschäftigt sich mit (Hoch-)Sensitivität im beruflichen Kontext am Beispiel von Lehrkräften. Dabei verhilft das Merkmal zu einigen positiven Eigenschaften, aber auch zu Schwierigkeiten.

Von Dr. Teresa Tillmann

 

Im Juli diesen Jahres, schloss Teresa Tillmann erfolgreich ihre Dissertation mit dem Titel „Sensory-Processing Sensitivity in the Teaching Profession and its Demands: Blessing, curse or both?“ an der Ludwig-Maximilians- Universität München ab. Damit ist sie die dritte deutsche Wissenschaftlerin, die eine Doktorarbeit zum Thema Hochsensibilität verfasste.

 

In diesem Artikel möchte ich Ihnen gerne eine kurze Übersicht über die wichtigsten Ergebnisse der Studie zur Verfügung stellen. Wenn Sie Interesse an der gesamten Arbeit von Teresa Tillmann haben, können Sie diese gerne kostenlos online auf der Seite der elektronischen Hochschulschriften der LMU in München einsehe. Der Link zur Dissertation ist wie folgt: https://edoc.ub.uni-muenchen.de/24664/.

 

Um die Ergebnisse möglichst übersichtlich darstellen zu können, werden die Befunde in insgesamt vier Teilen getrennt zusammengefasst:

Wahrnehmung des beruflichen Alltag

Hochsensible Lehrkräfte scheinen sich ihren Schülerinnen und Schülern im Unterschied zu weniger sensiblen Lehrkräften stärker verbunden zu fühlen. Gleichzeitig scheinen sie aber auch mehr Probleme mit der Offenheit und Flexibilität des Berufs zu haben, beispielsweise mit den verschiedenen Erwartungen, die sie erfüllen müssen, oder auch der Grenzenlosigkeit der Aufgabenstellungen. Ähnliches wurde auch für die erfolgreiche Etablierung einer ausgeglichenen Work-Life-Balance gefunden: Hochsensible Lehrkräfte haben mehr Probleme eine solche Balance herzustellen als weniger Sensible.

Hochsensibilität und Stresserleben

Wie auch in vorherigen Studien (siehe Artikel "Was sind gesundheitsbezogene Konsequenzen von Hochsensitivität?"), konnten die Ergebnisse einen Zusammenhang zwischen Ängstlichkeit und Depressivität bzw. Angststörungen und diagnostizierten Depressionen bestätigen. Allerdings konnte auch gezeigt werden, dass dieser Einfluss durch andere Variablen beeinflusst wird. So spielen gerade dysfunktionale Denkmuster (z.B. die Risikovermeidung) eine wichtige Rolle bei der Entstehung und Wahrnehmung von Belastungen. Ein zusätzlicher wichtiger Einflussfaktor sind auch die Strategien, die angewandt werden, um mit als belastende wahrgenommenen Situationen umzugehen. Hier zeigten Hochsensible die Tendenz, eher zu resignieren und sich zurückzuziehen als weniger Sensible. Diese beiden Aspekte bieten eine wichtige Grundlage für weitere Forschung und Präventionsangebote.

Die verschiedenen Typen von Hochsensiblen

Bereits die Aussagen in dem Fragebogen zur Erhebung von Hochsensibilität (siehe Artikel "Wie wird Sensitivität gemessen?") weisen darauf hin, dass Sensibilität eine große Bandbreite an Facetten abdeckt. Dabei sollte es eigentlich auf der Hand liegen, davon auszugehen, dass nicht alle Hochsensiblen gleich sind – allerdings haben die veröffentlichten Studien diese Tatsache weniger bis überhaupt nicht berücksichtigt. Vielmehr wurde die Gruppe der Hochsensiblen als eine Einheit gesehen, die sich von den durchschnittlich und weniger Sensitiven unterscheiden. Um diese Lücke zu schließen, wurden in der aktuellen Studie mit Hilfe von statistischen Methoden verschiedene Typen von Hochsensiblen extrahiert.

 

Insgesamt konnten drei Gruppen gefunden werden, in die sich die Hochsensiblen der Studie einordnen lassen. Alle drei unterscheiden sich dahin gehend, inwieweit sie die drei gängigen Facetten des Fragebogens abbilden (siehe Artikel "Was sind die Faktoren von Sensitivität?"): Während eine Gruppe auf allen Fragen und Facetten des Fragebogens hohe Werte erzielte, unterschieden sich die verbleibenden beiden Gruppen signifikant voneinander: Teilnehmende in einer Gruppe erzielten besonders hohe Werte auf der Facette der Ästhetischen Sensitivität, während diejenigen in der letzten Gruppe eher hohe Werte auf den beiden verbleibenden Facetten (Niedrigere Reizschwelle und schnelle Erregbarkeit) erreichte. Besonders interessant war der Befund, dass insbesondere die Hochsensiblen mit hohen Werten auf der Ästhetischen Sensitivität die am wenigsten dysfunktionalen Muster (hinsichtlich der Denkmuster und der Stressbewältigungsstrategien) zeigten.

Hochsensibilität und Therapieerfolg

In Zusammenhang mit der aktuellen Theorie der „Vantage Sensitivity“ (siehe Artikel "Welche Theorien können den Zusammenhang zwischen Sensitivität und Stress erklären?"), verweisen auch die Ergebnisse der Dissertation darauf, dass Hochsensible besonders von den therapeutischen und klinischen Interventionen profitieren. An dieser Stelle bedarf es aber weitere Studien, um dies zu bestätigen.

 

Aus den beschriebenen Befunden ergeben sich zahlreiche praktische, theoretische und wissenschaftliche Implikationen für den Bereich der Sensibilitätsforschung. Diese betreffen insbesondere Ansatzmöglichkeiten für konkrete Präventions- und Interventionsmaßnahmen als auch die Weiterentwicklung des Forschungsbereichs durch die Schließung von bestehenden Forschungslücken.